Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Früher hat die Briefträgerin bei der Volkszählung die Auskunft verweigert. Heute sammelt sie Daten. AMP heisst «Adressmanagement Post». Die Post erfasst jeden an einem Briefkasten in der Schweiz angeschriebenen Namen. Manchmal auch solche, die nicht angeschrieben sind. Bei c/o-Adressen. Die Post weiss, wer mit wem wohnt. Die Post weiss, wer mit wem nicht mehr wohnt. Die Post weiss, wo jemand früher wohnte, wo jetzt und wo in Zukunft, Nachsendeauftrag vorausgesetzt. Ist die Post auch über die Krankenkassenabrechnungen aller Leute, deren Zahlungsverkehr nicht elektronisch läuft, im Bild? Druckt und versendet sie doch als «Geschäftskundenlösung» die Rechnungen im Auftrag von Firmen, die dafür bezahlen.
Das Personenregister der Post ist lückenloser als die offiziellen Gemeinderegister.
ROTE BÜCHLEIN. Die systematische Erfassung aller Nutzniessenden der Post gibt es, seit die gigantischen Maschinen in den Briefverteilzentren möglichst viele Daten zur möglichst flächendeckenden Sortierung der Sendungen benötigen. Früher schrieben die Botinnen und Boten alle Nachsendeadressen in rote Büchlein. Auch nach Jahr und Tag noch konnte deshalb wichtige Post von Hand umadressiert und nachgeschickt werden. Die roten Büchlein sind vernichtet. Nach Ablauf eines Jahres kennt heute nur noch das System die neue Adresse einer Person. Zum System haben nicht alle Zugang.
Wer aber hat Zugang? Wie steht es mit dem Datenschutz? Nicht auszuschliessen, dass das AMP lückenloser ist als die offiziellen Register der Gemeinden. Denn nicht alle Leute, die an einem Briefkasten angeschrieben sind, sind offiziell gemeldet.
Die Post beteuert, stets den Datenschutz zu beachten. Firmen beispielsweise könnten bei ihr lediglich einen Datenabgleich kaufen: Die Adressensammlung der Firma wird mit derjenigen der Post verglichen. Adressen, die laut AMP nicht mehr stimmen, werden als solche deklariert. Nicht aktualisiert! So heisst es.
ZWEI FREAKS. Die Briefträgerin war unterwegs und pfiff so vor sich hin. Da näherten sich zwei Freaks, eine junge, dünne Frau, ein etwas älterer Typ mit schulterlangem Haar. «Sie können uns sicher helfen», sagte der Mann jovial. Die Briefträgerin stockte, als sie den Ausweis sah: Polizei! «Wir suchen XY, Sie wissen sicher, wo er wohnt.» Die Briefträgerin stotterte überrumpelt: «Darf ich überhaupt Auskunft geben?» Die Schönwetterlaune verflog. «Wir finden es auch so heraus», raunzte der Langhaarige, und die beiden gingen von dannen.
Ob sie es herausgefunden haben? Und wenn ja: wie wohl?